Der Eutychianismus ist eine christologische Häresie, die im 5. Jahrhundert entstand und nach ihrem Begründer Eutyches, einem Abt aus Konstantinopel, benannt wurde. Sie bezieht sich auf die Lehre über die Naturen Jesu Christi und spielte eine zentrale Rolle in den theologischen Kontroversen der frühen Kirche.
Kerngedanken des Eutychianismus
• Christologie: Der Eutychianismus lehrt, dass Jesus Christus nur eine einzige Natur hat, die göttlich-menschlich ist. Nach Eutyches verschmolzen die göttliche und die menschliche Natur Christi nach der Menschwerdung zu einer neuen Natur. Dies wird oft als Monophysitismus bezeichnet (von griechisch „mono“ = „eine“ und „physis“ = „Natur“).
• Ablehnung der Zwei-Naturen-Lehre: Eutyches lehnte die Lehre ab, dass Christus zwei getrennte Naturen, eine göttliche und eine menschliche, nach der Inkarnation beibehielt.
• Konsequenz: Diese Verschmelzung führte dazu, dass die Menschheit Christi in der göttlichen Natur „aufging“ und somit nicht mehr vollumfänglich menschlich war.
Hintergrund und Ursprung
• Reaktion auf den Nestorianismus: Der Eutychianismus war eine Überreaktion auf den Nestorianismus, der die beiden Naturen Christi zu stark trennte und beinahe zwei Personen in Christus sah. Eutyches wollte sicherstellen, dass Christus eine Einheit blieb, ging dabei jedoch zu weit.
• Konzil von Chalcedon (451): Der Eutychianismus wurde auf diesem Konzil verurteilt. Die Kirche formulierte stattdessen die chalcedonensische Definition, die feststellte, dass Christus „in zwei Naturen unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt“ existiert.
Probleme des Eutychianismus
• Leugnung der vollen Menschheit Christi: Wenn die menschliche Natur Christi in der göttlichen „aufgelöst“ wird, verliert Christus seine volle Menschheit. Dies untergräbt die biblische Lehre, dass Jesus wahrer Mensch und wahrer Gott ist (z. B. Johannes 1:14; Philipper 2:6-8).
• Gefährdung der Erlösung: Der Eutychianismus gefährdet die Erlösung, weil nur ein wahrer Mensch für die Sünden der Menschheit sterben konnte. Wenn Christus nicht vollständig Mensch war, wäre sein Tod am Kreuz nicht ausreichend gewesen, um die Menschheit zu erlösen (Hebräer 2:14-17).
• Missachtung der Schrift: Die Bibel beschreibt Christus als gleichzeitig vollkommen göttlich und vollkommen menschlich (z. B. Kolosser 2:9; 1. Timotheus 2:5). Der Eutychianismus widerspricht dieser biblischen Lehre.
Widerlegung aus christlicher Sicht
• Biblische Lehre von zwei Naturen:
• Johannes 1:14: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns.“ Dies zeigt, dass das göttliche Wort eine vollständige menschliche Natur annahm, ohne seine Göttlichkeit zu verlieren.
• Philipper 2:6-7: Christus „entäußerte sich selbst“ und wurde Mensch, behielt aber seine göttliche Natur.
• Notwendigkeit der vollen Menschheit:
• Hebräer 2:14: „Da nun die Kinder an Fleisch und Blut Anteil haben, ist auch er in gleicher Weise dessen teilhaftig geworden.“ Christus musste vollständig Mensch werden, um die Menschheit zu erlösen.
• Notwendigkeit der vollen Göttlichkeit:
• Kolosser 2:9: „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ Die Göttlichkeit Christi blieb unvermindert bestehen.
Bedeutung für die christliche Apologetik
• Die Herausforderung der Balance: Der Eutychianismus zeigt, wie wichtig es ist, die Spannung zwischen der Göttlichkeit und Menschlichkeit Christi in der Lehre zu bewahren.
• Orthodoxe Lehre bekräftigt: Die Verurteilung des Eutychianismus auf dem Konzil von Chalcedon stärkt das Verständnis, dass Christus „wahrer Gott und wahrer Mensch“ ist – zwei Naturen in einer Person.
• Relevanz für heute: Der Eutychianismus erinnert daran, dass jede Verzerrung der Natur Christi die grundlegenden Wahrheiten des Evangeliums gefährden kann.
Zusammenfassung
Der Eutychianismus ist eine Häresie, die die Lehre von den zwei Naturen Christi verfälscht, indem sie sie zu einer einzigen Natur verschmelzen lässt. Dies untergräbt sowohl die Menschlichkeit Christi als auch die Grundlage der christlichen Erlösung. Die biblische Lehre und die chalcedonensische Definition bieten eine klare Antwort: Jesus Christus ist gleichzeitig vollständig Gott und vollständig Mensch, unvermischt und ungetrennt, und in dieser Wahrheit liegt die Hoffnung auf Erlösung.