Tragen die Söhne die Sünden der Väter oder nicht?

Autor Andrea Di Mari (Super Administrator)

Updated at January 6th, 2025

In der Bibel gibt es Passagen, die scheinbar widersprüchlich sind: Manche Stellen deuten darauf hin, dass Söhne die Sünden ihrer Väter tragen, während andere dies verneinen. Welche Aussage stimmt? Die Antwort liegt – wie immer – im Kontext. Die Bibel hat keine inneren Widersprüche; es bedarf lediglich genauer Betrachtung und Lektüre, um Klarheit zu gewinnen.

Ja, sie tragen die Sünden der Väter

Exodus 20:5

„Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen; denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und vierten Generation derer, die mich hassen.“

Deuteronomium 5:9

„Du sollst dich vor ihnen nicht niederwerfen und ihnen nicht dienen; denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern bis in die dritte und vierte Generation derer, die mich hassen.“

Exodus 34:6-7

„Da ging der Herr vor seinem Angesicht vorüber und rief aus: ‚Der Herr, der Herr, ein barmherziger und gnädiger Gott, langsam zum Zorn und reich an Gnade und Treue, 7 der Gnade bewahrt für Tausende, der Schuld, Vergehen und Sünde vergibt, der aber keineswegs ungestraft lässt und die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern bis zur dritten und vierten Generation.‘“

1. Korinther 15:22

„Denn gleichwie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden.“

Nein, sie tragen nicht die Sünden der Väter

Deuteronomium 24:16

„Die Väter sollen nicht für die Söhne getötet werden, und die Söhne sollen nicht für die Väter getötet werden; jeder soll für seine eigene Sünde getötet werden.“

Ezechiel 18:20

„Die Seele, die sündigt, die soll sterben. Der Sohn soll nicht die Schuld des Vaters tragen, und der Vater soll nicht die Schuld des Sohnes tragen; die Gerechtigkeit des Gerechten soll auf ihm ruhen und die Gottlosigkeit des Gottlosen auf ihm.“

Verständnis der Aussagen im Kontext

Exodus 20:5 (Teil der Zehn Gebote) ist im Rahmen eines Bundes (einer Suzerän-Vasallen-Abmachung) geschrieben, die im Alten Orient üblich war. Dieser Bund beinhaltete:

1. Einleitung des Bundesgebers (Exodus 20:2),

2. Beschreibung seiner Taten (20:2),

3. Gesetze (20:3-17),

4. Belohnungen (20:6, 12)

5. Bestrafungen (20:5, 7).

Wenn ein Vater den Bund mit Gott bricht und seine Familie in Sünde führt, tragen die Kinder oft die Konsequenzen seines Handelns über mehrere Generationen hinweg. Dies ist keine Frage von „Gerechtigkeit“ oder „Fairness“, sondern eine natürliche Folge der Sünde in der Welt. Sünden wirken sich oft generationsübergreifend aus, auch wenn die Kinder nicht direkt schuld sind.

Deuteronomium 24:16 und Ezechiel 18:20 hingegen befassen sich mit rechtlichen Angelegenheiten im jüdischen Rechtssystem. Diese Stellen betonen, dass jeder rechtlich für seine eigene Sünde verantwortlich ist und nicht für die seiner Vorfahren.


Das Konzept der „Bundesvertretung“ (Federal Headship)

In der Bibel gibt es das Prinzip der „Bundesvertretung“. Das bedeutet, dass der Vater (als Haupt der Familie) seine Familie repräsentiert. Dieses Konzept zeigt sich in der Geschichte von Adam und Eva. Obwohl Eva zuerst sündigte, wird Adam als derjenige betrachtet, durch den die Sünde in die Welt kam (Römer 5). Warum? Adam war das „Bundeshaupt“ der Menschheit.

Ein weiteres Beispiel finden wir in Hebräer 7:7-10:

„Ohne jeden Zweifel wird das Geringere vom Größeren gesegnet. 8 Hier empfangen sterbliche Menschen den Zehnten, dort aber einer, von dem bezeugt wird, dass er lebt. 9 Und sozusagen hat auch Levi, der den Zehnten empfängt, den Zehnten gegeben, 10 denn er war noch in der Lende seines Vaters, als Melchisedek diesem begegnete.“

Das bedeutet, dass Levi (ein Nachkomme Abrahams) den Zehnten „gab“, als Abraham dies tat, obwohl Levi noch nicht geboren war. Dies zeigt, dass Abraham als Vertreter seiner Nachkommen handelte.


Zusammenfassung

1. Die Konsequenzen von Sünden: Gott „besucht“ die Schuld der Väter an den Nachkommen, wenn diese durch die Sünden ihrer Vorfahren beeinträchtigt werden. Dies ist ein Ausdruck der Verantwortung im Bund Gottes.

2. Rechtliche Verantwortung: In rechtlichen Angelegenheiten ist jeder Mensch individuell für seine Sünden verantwortlich.

Diese beiden Aspekte stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern beleuchten unterschiedliche Facetten von Verantwortung in der Bibel.